Die Formen der Märchen aus dem "Land der Morgenstille" sind mannigfaltig und überreich an Varianten.Eine eindeutige Gattungstrennung nach Märchen, Fabeln, Legenden, Sagen oder Mythen ist kaum möglich. Sehr häufig enthalten Märchentexte ein bestimmtes Vorbild, eine Lehre oder eine Moral. Sie wurzeln in der Tradition, sind an der Natur ausgerichtet und nach bestimmten Grundsätzen allgemeiner Lebensweisheit aufgebaut, die auf mündliche Weise von Generation zu Generation weitergegeben werden.
Der koreanischen Tradition nach beginnt ein Märchen meistens mit den magischen Formeln "Es war einmal, als der Tiger noch Pfeife rauchte . . ." oder "Es war einmal vor langer Zeit . . ." und endet häufig mit dem Schlußsatz "So lebten sie glücklich und zufrieden und sind erst vorgestern gestorben." Die Märchen sind nicht nur erd-, sondern auch wasser-, feuer- und himmelsverbunden, was auf die bedeutenden Einflüsse der taoistischen Naturphilosophie verweist. In zahlreichen Märchen tauchen Götter, Geister, Prinzessinnen und Prinzen auf; sie erscheinen oft auf wundersame Weise und bringen eine Lösung für unlösbar erscheinende Probleme. Im Gegensatz zu chinesischen und japanischen Märchen treten häufig Tiger auf. Ein weiteres wichtiges Motiv vieler Märchen ist die besondere Rolle des Sohnes, der meist als Stammhalter der Familie oder als Ernährer der alten Eltern erscheint. Auch Witz, Humor und Überlebenswille sind auffällig oft in den Märchentexten erkennbar.
Der Himmelsprinz und die Bärin versucht, eine möglichst vielseitige Auswahl von Märchen aus allen Teilen der koreanischen Halbinsel zu präsentieren und dem Leser somit einen ersten Einblick in die Überlieferungen eines in Europa inmer noch wenig bekannten Volkes zu geben.
Die Übersetzerin:
Woon-Jung Chei, geboren in Seoul, Republik Korea, studierte Sozialwissenschaften an der Gerhard-Mercator-Universität Duisburg, sowie Germanistik und Philosophie an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Neben zahlreichen Veröffentlichungen sowohl in deutschen als auch koreanischen Literaturzeitschriften und Anthologien hat sie auch mehrere Bücher in Deutschland veröffentlicht.
I Deug-Su ist Professor für mittellateinische Philologie und Direktor des der Universität von Siena angegliederten »Center for Comparative Studies of Korean Poetry«. Zu seinen vielseitigen literarhistorischen Arbeiten gehören auch Beiträge zur Komparatistik.
Mit dieser »Bestandsaufnahme« der »Erinnerungen« der Prinzessin Hyae-Gyong will I Deug-Su das Augenmerk vor allem auf die »ideologische« Komponente in der koreanischen Literatur lenken, die bei der Erforschung und Interpretation der traditionellen wie der modernen Formen nicht zu vernachlässigen ist.
Aus dem Text:
Die Prinzessin Hyae-Gyong kam im Jahre 1735 zur Welt und wurde 1744, also im Alter von 9 Jahren, zur künftigen Ehefrau des Thronfolgers Prinz Sa-Do ausgewählt. Ihr Leben war nicht leicht, vor allem, weil sich ihr Ehemann als geisteskrank erwies und im Alter von 27 Jahren auf Befehl des Vaters, Seiner Majestät Yung-Jo, zum Tode verurteilt wurde. Man vollzog dieses Urteil, indem man den Prinzen lebendig in eine Reistruhe einschloß. Der Sohn Prinz Sa-Dos wurde der Mutter weggenommen und durch die Frau des verstorbenen ersten Sohnes des Herrschers adoptiert. Mit dieser postumen Adoption wollte man die Thronfolge besser absichern, als sie es für den Sohn eines zum Tode Verurteilten gewesen wäre. Aufgrund dieser Adoption wurde Prinzessin Hyae-Gyong nie Königinmutter, obwohl ihr Sohn auf dem Thron saß, und auch nicht Großmutter des Königs, obwohl ihr Enkel gleichfalls König war.
Der erste Teil der Erinnerungen ist von der Prinzessin im Jahre 1795 aus Anlaß ihres 60. Geburtstags geschrieben - eines Geburtstags, der nach koreanischer Tradition, aber auch im gesamten Fernen Osten ein wichtiges Ziel in einem langen Menschenleben darstellt und der die Vollendung eines Zyklus bedeutet. Dieser erste Teil der Erinnerungen hat den Charakter einer Autobiographie, die, wie man sagen könnte, zugleich die Funktion eines Testaments besitzt. Es werden darin die Mitglieder der Herkunftsfamilie der Prinzessin – mütterlicher- wie väterlicherseits – sowie die königlichen Verwandten vorgestellt und die Geschehnisse am Hofe des Thronfolgers Sa-Do, des unglücklichen Ehemanns erzählt.
»ein philosophisches Kleinod, eine wundersame, vielschichtige Erzählung, randvoll mit ostasiatischer Mythologie und Religion« WDR
»Die Geschichte der Sukhyang« gehört zu den am meisten gelesenen klassischen koreanischen Liebeserzählungen und ist seit der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts in verschiedenen Fassungen überliefert. Eine genaue Entstehungszeit sowie der Autor sind unbekannt.
Sukhyang ist der Name der weiblichen Heldin, deren abenteuerliches und facettenreiches Schicksal zwischen Realität und Phantasie angesiedelt ist – und das sicher nicht zuletzt schon in früheren Zeiten koreanische Leserinnen ermutigte, ihr unspektakuläres eigenes Leben standhaft zu bewältigen.
Die abenteuerliche Geschichte beginnt damit, daß das junge Mädchen während der Flucht vor Aufständischen von ihren leiblichen Eltern getrennt wird und zahlreiche lebensgefährliche Prüfungen bestehen muß. Am Anfang steht eine Störung der Harmonie, die dann im Laufe der Geschichte über vielfältige Wendungen wieder hergestellt werden muß. Das glückliche Ende besteht in der Errettung durch himmliche Mächte.
»Die Geschichte der Sukhyang« vereint auf faszinierende Weise koreanischen Volksglauben mit konfuzianische Regeln vom gebührenden Verhalten der Menschen untereinander und dem Respekt für Autorität und Hierarchie, aber auch taoistische Vorstellungen vom Universum der Unsterblichen mit philosophischen Ideen des Buddhismus. Ein kenntnisreiches Vorwort führt den Leser in die Geschichte und die zugrundeliegende Gedankenwelt ein.
"Die Geschichte der Unyong" ist eine populäre klassische koreanische Liebeserzählung, dessen Entstehungsjahr und Verfasser nicht bekannt sind. Durch zahlreiche Anspielungen auf historische Vorkommnisse und Personen sowie literarhistorische Fakten kann man aber davon ausgehen, daß das Werk um die Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert entstanden ist.Das Unyong chon ist eine literarische Chronik über ein Frauenschicksal im alten Korea und hat die tragische Geschichte der Liebe zwischen unbemittelten jungen Leuten zum Inhalt: Er, ein talentierter Jüngling und aussichtsreicher Anwärter für das Examen zur Aufnahme in den Staatsdienst, sie ein Hoffräulein einfacher Herkunft und hochbegabte Dichterin am Palast des Prinzen Anp’yong. In diesem Werk wird von den Leiden Verliebter erzählt, denen es nicht vergönnt ist, ihre Schicksale miteinander zu vereinen. Während alte koreanische Erzählungen gewöhnlich glücklich ausgehen, sterben hier jedoch die Helden am Ende durch Suizid.Mit der Beschreibung der Lebensumstände von Hoffräulein zu Zeiten der Yi-Dynastie (1392–1910) vermittelt das Werk am Beispiel der zentralen Gestalt Unyong sowie neun weiterer Schicksalsgefährtinnen eine sinnlich konkret wahrnehmbare Vorstellung von deren extrem beschränktem Leben am Hofe und den seelischen Qualen, die für sie aus dieser Isolation resultierten. Der Obhut des Prinzen Anp’yong unterstellt, führten sie ein von der Außenwelt gänzlich abgeschottetes Dasein. Todesstrafe war ihnen angedroht für das Durchschreiten des Tores, für willkürliches Verlassen des Palastgeländes und sogar dafür, daß Außenstehende ihren Namen erfahren. Dabei sehnten sie sich doch leidenschaftlich nach einem selbstbestimmten Leben und nach Liebe. Das Unyong chon zeichnet sich durch eine eigenwillig raffinierte, mehrschichtige Erzählstruktur aus, die sich im Verlauf einer Rahmenhandlung entfaltet. Die Aufmerksamkeit gilt ganz dem individuellen Schicksal und den geheimsten Gefühlsregungen der Protagonisten. Zu deren Darstellung dienen nicht zuletzt zahlreiche in den Prosatext eingefügte Gedichte, die inhaltlich eng mit der Erzählung verknüpft sind und nicht selten auslösenden Momente des Handlungsgeschehens darstellen.
Es dürfte kaum einen Koreaner geben, dem Hong Kiltong ein Unbekannter ist. Die hier vorgestellte „Lebensgeschichte" dieses „gerechten Räubers" – er hat ein historisches Vorbild in einem Räuberhauptmann, der um 1500 lebte – hat für die koreanische Literaturgeschichte einen hohen Stellenwert: Sie gilt als das früheste in koreanischer Sprache verfaßte Erzählwerk.
Hong Kiltong war und ist mit seinem Mutterwitz und seiner Unbändigkeit bei gleichzeitiger liebevoller Bewahrung sozialer Bindungen Identifikationsfigur für viele – besonders auch für all jene, die strukturell vom Erfolg ausgeschlossen sind und sich doch einen Weg der Selbstverwirklichung erträumen. Hong Kiltong steht für ein „anderes" Korea, ein unbeugsames, mutiges, einfallsreiches und schelmenhaftes. So soll er denn als kultureller Botschafter Koreas ausgehen und in einer seiner vielen Verwandlungsformen Freunde in Deutschland gewinnen.
Inhalt:
Marion Eggert: "Frühe koreanische Romanliteratur und das Hong Kiltong chon"
Die Geschichte von Hong Kiltong
übersetzt von Soon Mi Hong-Schunka unter Mitarbeit von Frank Kraushaar
Soon Mi Hong-Schunka: "Hong Kiltong chon: Ein Räuberroman aus dem alten Korea. Autor, historischer Hintergrund, Inhalt"
Ein junger Mann durchlebt als Mönch und als Krieger zwei gänzlich unterschiedliche Lebensschicksale. Welches Leben war das eigentliche? Der klassische Roman „Wolkenträume“ (Kuunmong) gehört zu den Bestsellern der koreanischen Literatur. Dabei verbindet er geschickt eine unterhaltsame Darstellung mit philosophischen Grundfragen des Buddhismus und Konfuzianismus.
Übersetzt und kommentiert von Albrecht Huwe.